Allgemein
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Weiden in der Oberpfalz
Frühe Spuren im Mittelalter
Bereits im Mittelalter sind einzelne jüdische Ansiedlungen in Weiden nachweisbar. Archivunterlagen aus Nürnberg und Regensburg belegen, dass jüdische Kaufleute entlang der „Goldenen Straße“ zwischen Nürnberg und Prag tätig waren. Eine dauerhafte Gemeinde entstand jedoch nicht – hohe Abgaben wie Judenzoll und Judensteuer erschwerten die Niederlassung. Im Dreißigjährigen Krieg versuchte Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, erneut eine jüdische Gemeinschaft zu etablieren, stieß jedoch auf Widerstand. Eine Verordnung, nach der für jeden neuen Bürger zwei Juden die Stadt verlassen mussten, beendete diesen Versuch. Über zwei Jahrhunderte existierte daraufhin keine jüdische Gemeinde mehr in Weiden; das religiöse Zentrum der Region war die Gemeinde im nahegelegenen Floss.
Aufstieg in der Industrialisierung
Mit dem Anschluss Weidens an das Eisenbahnnetz 1863 und der Aufhebung der Matrikelbeschränkungen 1861 begann eine neue Phase. Zahlreiche jüdische Händler, vor allem aus Floss, ließen sich in Weiden nieder. Die Zahl der jüdischen Einwohner wuchs von 5 im Jahr 1867 auf über 150 im Jahr 1910. Viele waren im Textil-, Glas- und Viehhandel tätig.
1889 gründete sich der Synagogenverein Weiden und erwarb ein Grundstück in der Ringstraße. Noch im selben Jahr wurde eine Synagoge mit angeschlossener Schule eingeweiht. 1901 folgte ein eigener Friedhof in der Sperlingstraße. Das bescheidene Gemeindehaus diente als religiöses und soziales Zentrum der kleinen, aber aktiven Gemeinschaft.
Zwischen Integration und Antisemitismus
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu antisemitischen Strömungen. 1893 entstand in Weiden ein „antisemitischer Volksverein“, der wirtschaftliche Veränderungen und Krisen den Juden zuschrieb – ein Vorbote der späteren NS-Propaganda. Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkten sich diese Ressentiments erneut.
Zerstörung in der NS-Zeit
1933 lebten 168 Juden in Weiden. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen Verfolgungen, Boykotte und Schikanen. Beim Novemberpogrom 1938 wurden Synagoge und Wohnungen zerstört, Dutzende Menschen misshandelt. Bis 1939 hatten die meisten jüdischen Einwohner die Stadt verlassen oder waren zur Emigration gezwungen. 1942 wurden die letzten verbliebenen Weidener Juden in die Ghettos Piaski und Theresienstadt deportiert. 44 Namen von ermordeten oder in den Tod getriebenen Bürgern sind heute bekannt – das Ende der alten jüdischen Gemeinde.
Neubeginn nach 1945
Nach Kriegsende sammelten sich in Weiden zahlreiche jüdische Displaced Persons, ehemalige KZ-Häftlinge und Flüchtlinge aus Osteuropa. 1946 lebten zeitweise fast 700 Juden in der Stadt. Es entstanden Betstuben, Schulen und ein Kibbuz zur Vorbereitung auf das Leben in Palästina. 1948 wurde die wiederhergestellte Synagoge eingeweiht. 1953 gründete sich offiziell die Israelitische Kultusgemeinde Weiden, deren langjähriger Vorsitzender Hermann Brenner die Gemeinde über Jahrzehnte prägte.
Mit den Jahren schrumpfte die Mitgliederzahl stark – bis zur Zuwanderung jüdischer Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion ab 1994. Seither zählt die Gemeinde wieder rund 300 Mitglieder in Weiden und Umgebung.
Gegenwart
Heute gehört die Jüdische Gemeinde Weiden der Masorti-Bewegung an, die Frauen und Männer liturgisch gleichstellt. Nach einer Zeit unter Rabbinerin Gesa Ederberg wird die Gemeinde derzeit von Rabbiner Dr. Daniel Katz betreut.
Die Geschichte der Weidener Juden steht exemplarisch für die wechselvolle Entwicklung jüdischen Lebens in Bayern – geprägt von Aufstieg, Zerstörung, Überleben und Erneuerung.
